Details

East Meets West. Arnold Schönberg als Lehrer

SMG Sektion Zürich und ZHdK, Institute for Music Research: Konferenzvorträge zum Nachschauen

East Meets West. Arnold Schönberg als Lehrer

Samstag, 7. Mai 2022

Zürcher Hochschule der Künste, Toni-Areal, Pfingstweidstrasse 96, Zürich

Eine Koproduktion von ZHdK, Master Performance, Institute for Music Research und SMG, Sektion Zürich – smgzuerich.ch

Dr. Iris Eggenschwiler (Zürich): Einführung. Arnold Schönberg als Kompositionslehrer

Arnold Schönberg hat mehrere Komponist:innen-Generationen entscheidend geprägt, darunter besonders seine Kompositionsschüler:innen in Wien, Berlin und den USA. Angesichts der hohen Zahl seiner Lernenden weiss man jedoch erstaunlich wenig über den konkreten Ablauf und die Inhalte von Schönbergs Lehre. Der Vortrag bietet einen Überblick über die Quellenlage und den Forschungsstand zu Schönbergs Unterricht und thematisiert dessen institutionellen Voraussetzungen, Lehrinhalte und Lehrmethoden.

Iris Eggenschwiler studierte Musikwissenschaft, Philosophie und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Zürich und schloss 2013 mit dem Lizenziat ab. Ihre im Anschluss verfasste Dissertation Beethoven und Haydn (ebenda) wird 2022 im Druck erscheinen. Seit 2013 forscht sie am Institute for Music Research der Zürcher Hochschule der Künste im Bereich der Schweizer Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts (Erich Schmid, Fritz Muggler). Freiberuflich verfolgt sie zudem ein Editionsprojekt zu Joachim Raff.

********************

Dr. Lukas Näf (Zürich): Bei Arnold Schönberg in Berlin. Erich Schmids Lehrjahr (1930/31) und die Umarbeitung seines Streichquartetts op. 4

Ab November 1930 besuchte der Schweizer Erich Schmid (1907–2000) den Unterricht in Schönbergs Meisterklasse an der Preußischen Akademie der Künste. Schmids verstreute Berichte über diese für ihn prägende Zeit sollen in einem einleitenden Teil kritisch beleuchtet werden. Im Zentrum der folgenden Betrachtungen steht dann die alles andere als gradlinige Entstehung des Streichquartetts op. 4, dessen Umarbeitung Schönberg im Rahmen mehrerer Besprechungen eng begleitete. Anhand eines umfangreichen Skizzenkonvoluts mit Schönbergs Eintragungen (Zentralbibliothek Zürich) kann gezeigt werden, dass dieser an formal entscheidenden Stellen der 1. Fassung radikal eingriff. Änderungsvorschläge, die Schönberg zuweilen wiederholt eintrug, zeigen klar, dass es sich dabei nicht um allgemeine Gedankenanstösse handelte. Vielmehr kann Schönbergs Rolle als «eingreifender» Lehrer an diesem Beispiel eindrücklich dokumentiert werden. Sein Einfluss führte zu einer fundamental neuen Gestalt des Streichquartetts in einer 2. Fassung.

Lukas Näf, geboren 1975 in Basel, studierte Musikwissenschaft, Allgemeine Geschichte und Philosophie an der Universität Zürich. Zwischen 2005 und 2007 Stipendiat des Schweizerischen Nationalfonds und Arbeit an einer Dissertation über die Beckett-Vertonungen des rumänisch-französischen Komponisten Marcel Mihalovici (1898–1985). Nach der Promotion 2008 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institute for Music Research der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Projektleiter der «Erich Schmid Edition. Historisch-kritische Edition für die Praxis» (SNF) und Leiter von Projekten zur Interpretation/Aufführungspraxis der Neuen Wiener Schule und zur Schweizer Musikgeschichte. Werkeditionen und Publikationen zur Musik des 20. Jahrhunderts, zur Schweizer Musikgeschichte sowie zur Rezeptions- und Interpretationsgeschichte.

********************

Prof. Dr. Ludwig Holtmeier (Freiburg i.Br.): «Auf welches Intrument sind wir gespannt?» – Reihentechnik und Ausdruck in Norbert von Hannenheims Rilke-Vertonung «Liebes-Lied»

Wahrscheinlich in den 1930er Jahren hat Norbert von Hannenheim eine Gruppe von Rilke-Liedern aus der 1907 veröffentlichten ersten Sammlung der «Neuen Gedichte» vertont. Die Publikation der beiden Bände dieser Gedichtsammlung werden im Allgemeinen mit der Hinwendung Rilkes zu jenen »artistischen« poetischen Ausdrucksformen, die gemeinhin mit «Dinggedichten» bezeichnet werden, in Zusammenhang gebracht. In jenen Vertonungen lässt sich von Hannenheims «reife» Technik der Arbeit mit nicht transponierenden, «vieltönigen» Reihen exemplarisch beobachten. In meinem Vortrag möchte ich mich nach einem kurzen Überblick über von Hannenheims erhaltenes Liedschaffen intensiv mit seiner idiosynkratischen Reihentechnik auseinandersetzen und jene besonderen Eigenschaften beleuchten, die Michael Polth am Beispiel der Bratschensonaten erstmals näher betrachtet hat. Dabei sollen sowohl die linearen als auch harmonischen Reihenverfahren analytisch erläutert werden. Abschließend möchte ich der Frage nachgehen, inwieweit von Hannenheims Vertonung bzw. auch die zur Anwendung gelangenden Kompositionstechniken auf den «artistischen» Turn der Rilkeschen Dichtung reagiert.

Ludwig Holtmeier studierte Klavier in Detmold, Genf und Neuchâtel und legte 1992 das Konzertexamen ab. Seit Ende der 1980er Jahre hat er sich intensiv mit dem Hammerflügel auseinandergesetzt und ist seither vor allem als Interpret dieses Instruments konzertierend und durch CD-Aufnahmen in Erscheinung getreten. Er hat mit vielen Liedinterpreten zusammengearbeitet, insbesondere mit Werner Hollweg und Hans Jörg Mammel. Er studierte Musiktheorie, Musikwissenschaft, Schulmusik, Geschichte und Germanistik in Freiburg und Berlin. Er wurde an der TU Berlin mit einer Arbeit zur Rezeption der musiktheoretischen Schriften Jean-Philippe Rameaus promoviert. Er lehrte von 1998 bis 2000 an der Hochschule für Musik «Hanns Eisler» Berlin. Von 2000 bis 2003 war er Professor für Musiktheorie an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden, seit 2003 hat er eine Professur an der Musikhochschule Freiburg inne, wo er außerdem seit 2017 das Amt des Rektors bekleidet. Ferner war er von 2007 bis 2009 Dozent für historische Satzlehre an der Schola Cantorum Basiliensis. Ludwig Holtmeier ist Mitbegründer und ehemaliger Herausgeber der Zeitschrift Musik & Ästhetik.

********************

PDoz. Mag. Dr. Nina-Maria Wanek (Wien): «Wie Du weißt, bin ich jetzt die rechte Hand von Schönberg» – «Durch Sie habe ich die Methode, musikalisch zu denken gelernt»: Der Osten in Gestalt von Nikos Skalkottas und Egon Wellesz in der Lehre bei Arnold Schönberg

«Gleiches zieht Gleiches an»: Das Genie Arnold Schönberg hat eine große Zahl faszinierender Musikerpersönlichkeiten im Laufe seiner Lehrtätigkeit um sich scharen können. Zwei davon waren der Österreicher Egon Wellesz  (1885–1974) und der Grieche Nikos Skalkottas (1904–1949). Nikos Skalkottas, mittlerweile als einer der ganz großen Komponisten Griechenlands apostrophiert, blieb zu Lebzeiten verkannt: Von seinen Studien bei Schönberg in Berlin ausgehend, entwickelte er eine eigene Ton- und Formsprache, die seiner Zeit weit voraus war. Egon Wellesz, der Erforscher der byzantinischen Musik, gleichzeitig nimmermüder Komponist von über hundert Werken, blieb seiner eigenen (tonalen) musikalischen Sprache treu: Er übernahm vor allem Schönbergs Art zu unterrichten und arbeitete im Oxforder Exil auf ähnliche Weise mit seinen Schülern. Getroffen haben sich die beiden so verschiedenen Musikschaffenden (außer in diesem Vortrag) nie. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, lässt sich anhand ihrer Kompositionsgeschichte prägnant und vielschichtig die Größe Schönbergs als Lehrer und Former aufzeigen.

Nina-Maria Wanek erforscht seit mittlerweile zwanzig Jahren die byzantinische Kirchenmusik, sowie neugriechische Kunstmusik des 19. und 20. Jahrhunderts. Daneben ist sie als literarische Übersetzerin für Neugriechisch tätig. Sie promovierte 2003 an der Universität Wien, wo sie sich 2006 auch für Historische Musikwissenschaft habilitierte. 2008 erhielt sie den «Förderungspreis des Kardinal Innitzer Studienfonds» für hervorragende junge österreichische WissenschafterInnen. Nina-Maria Wanek unterrichtet an in- und ausländischen Universitäten und ist mit zahlreichen Publikationen in einschlägigen Fachzeitschriften vertreten. Von 2015–2020 leitete sie das vom Österreichischen Forschungsfonds (FWF) geförderte Projekt «Musikalische Transferprozesse zwischen Byzanz und dem Westen». Im Sommer 2020 begann ihr neues FWF-Projekt zur «Komposition von Psalmen in Mittel- und Spätbyzanz». Für mehr Informationen siehe www.byzantinemusicology.com.